Nahverkehr auf Umwegen (1. Teil)

Na toll!

Eigentlich wollte ich nur noch heim. Die Präsentation beim Kunden war anstrengend gewesen. Zum Glück hatte ich außer meinem Notebook nur das Notwendigste dabei.

Die Sonne schien heiß an jenem Spätnachmittag im Sommer 2008, als ich am Hauptbahnhof in S. stand, und meinen Zug nach N. suchte.

Da kam eine Durchsage, dass mein ICE was-weiß-ich-warum ausfiele. Der Zug, der als Alternative genannt wurde, würde erst in über einer Stunde fahren.

Auf der elektronischen Abfahrtstafel sah ich, dass die nächste Verbindung in meine Richtung irgend so ein Bummelzug über eine bedeutungslose Nebenstrecke war, die mir gar nichts sagte. Aber auch dieser Zug war noch nicht am Gleis.

Also hatte ich noch ein paar Minuten Zeit, so dass ich auf der Toilette erst mal das Businesskostüm auszog. Unterwäsche und Strümpfe klebten fast an der Haut. Darauf verzichtete ich, und zog ein bequemes Top (eigentlich ein ganz durchschnittlich langes und normal ausgeschnittenes Top – bei den meisten Frauen würde es Einblick ins Dekolleté zulassen, während es bei mir einen gelegentlichen Blick auf meinen Nabel gewährte), und einen kurzen Jeansrock an. Die Pumps ersetzte ich durch bequeme Sandalen.

Nun machte ich mich auf den Weg zum angegebenen Gleis. Inzwischen war ich schon etwas knapp in der Zeit. Der Zug war bereits gut gefüllt, so dass ich die Hoffnung auf einen Platz für mich alleine aufgeben musste.

Dann wollte ich wenigstens einen Platz auf der Schattenseite, denn dieser Zug schien nicht klimatisiert und war bereits stark aufgeheizt.

Es war – wie gesagt – Spätnachmittag. Ich wollte mehr oder weniger nach Osten. Das heißt, der Zug müsste die Sonne während der Fahrt eher von hinten haben, vielleicht mit einer kleinen Komponente von rechts. Da ich wusste, in welche Richtung der Zug fahren würde, suchte ich einen freien Platz auf der linken Seite.

Davon gab es nur einen. Daneben ein Mann, vermutlich etwas älter als ich, der vertieft in einer Computerzeitschrift las.

Ich fragte ihn, ob der Platz neben ihm noch frei sei.

Er gab ein freundliches „Aber natürlich!“ von sich, räumte, ohne mich des geringsten Blickes zu würdigen, den Rucksack auf den Boden, und beachtete mich nicht weiter.

Ich machte es mir so weit wie möglich bequem. Die Reisetasche hatte ich zwar im Gepäckfach verstaut, aber für das Notebook war kein Platz mehr. Leider war der Akku inzwischen fast leer, so dass ich davon absah, es in Betrieb zu nehmen.

So saß ich dann da, mit der Notebooktasche auf dem Schoß. Die Beine konnte ich nicht ausstrecken, weil die Sitze vor mir kaum Beinfreiheit ließen. Da mein Sitznachbar allem Anschein nach auch nicht gerade klein geraten war, und nun noch seinen Rucksack zwischen den Füßen hatte, saß er recht breitbeinig da. So blieb mir gar nichts anderes übrig, als mich schräg hinzusetzen.

Trotz meiner verdrehten Sitzposition zum Gang hin sah ich, dass er in seiner Zeitschrift gerade einen sehr interessanten Artikel las, den ich mir selbst gerne angesehen hätte. Ich ärgerte mich, dass ich nicht daran gedacht hatte, mir selbst in der Bahnhofsbuchhandlung die Zeitschrift zu kaufen, und begann, die Zeitschrift meines Nachbarn mitzulesen (was, bedingt durch die Sitzhaltung, auf Dauer immer unbequemer wurde).

Als er umblätterte, war ich noch nicht ganz mit der Seite fertig. Ich zögerte kurz, bat ihn aber dann, noch einmal zurückzublättern.

Bei Verständnisschwierigkeiten mit Max‘ oder Anne’s Dialekt: Einfach den Mauszeiger länger über die entsprechende Textpassage halten.
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Zum ersten Mal sah er mich an. Braune Haare, braune Augen, und ein offenes, sympathisches Gesicht. „Nanu, eine so hübsche Frau mit IT-Interesse. Die Kombination isch selten.“

Ich lachte. Solche Sprüche kannte ich zu genüge. Trotz seiner Anzugjacke, die neben dem Fenster hing, unterdrückte ich eine anzügliche Bemerkung, und erwiderte nur: „Interesse ist der falsche Ausdruck“. Ich zwinkerte ihm ermunternd zu, und fuhr fort: „Ich mache das beruflich.“

„Ich hatte Sie eigentlich für eine Studentin gehalten“, meinte er.

„Nein, ich habe mich selbständig gemacht, und bin auf dem Heimweg von einem Kunden.“

Er stellte sich als Max vor, und erzählte, dass er gleichfalls IT-Professional sei, und hier in der Region arbeitete. So kamen wir ins Gespräch, und unterhielten uns recht anregend. Wenigstens hatte ich nun einen angenehmen Gesprächspartner für die Zugfahrt.

Ich saß schon sehr unbequem, und als ich versuchte, mich in eine bequemere Sitzstellung zu drehen, ließ es sich nicht vermeiden, dass mein nackter Oberschenkel sich gegen sein langes, in einer Anzughose steckendes Bein drückte.

Entschuldigend lächelte ich ihm zu.

Er grinste und meinte verschmitzt: „Mmmh, steht da jemand auf Körperkontakt?“

Ich musste lachen, und antwortete leicht anzüglich: „Tja, ‚Stehen‘ ist ein gutes Stichwort.“

Er hob die Augenbraue wie weiland Mr. Spock (uhh, darauf fahre ich total ab!). Das ermutigte mich, mit meinem Bein noch etwas fester gegen seines zu drücken.
Die erwünschte Reaktion blieb nicht aus: Mit verschmitztem Grinsen legte er seine Hand auf meinen Oberschenkel. Fest und doch zärtlich.

Als ich keine Anstalten machte, mein Bein zurückzuziehen, sondern ihm stattdessen direkt und herausfordernd in die Augen schaute, drehte er sich weiter zu mir, fasste mit einer Hand meine Schulter und zog mich näher in seine Richtung.

Wir hielten Blickkontakt, bis er mich küsste, und ich unwillkürlich die Augen schloss. Die Pheromone in seinem leichten Schweißgeruch verursachten ein kleines Schwindelgefühl bei mir (dazu trug bestimmt auch die Hitze bei).

Sein Kuss wurde fordernder. Mit seiner Zunge erforschte er mich intraoral, so dass ich nur noch den einen Gedanken hatte: „Ich will mehr!“

Innerlich verfluchte ich es, dass uns das vollbesetzte Zugabteil die Möglichkeit verwehrte, uns sofort auszuziehen, und übereinander herzufallen.

Vorsichtig tastete ich mit einer Hand nach dem Reißverschluss seiner Hose, unter dem bereits eine beachtliche Schwellung vorhanden war.

Er ließ mich los, aber nur um seinen Rucksack so über seinem Schoß zu platzieren, dass man von außen nicht erkennen konnte, was ich da machte.

Auf meinem Schoß erfüllte die Notebooktasche diese Funktion.

Während wir uns so gegenseitig ertasteten, zuckelte der Zug gemütlich von Dorf zu Dorf. Ansage, Bremsen, Tür auf, Tür zu, und wieder weiter. Der Weg war das Ziel – für den Zug wie für uns.

Doch an einer winzigen Bahnstation, mitten im Nirgendwo – in Reiseführern wird so etwas meist „landschaftlich reizvolle Gegend“ genannt – fuhr er nach dem Schließen der Türen nicht wieder an.

Fortsetzung folgt.

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